Ratgeber
Heimische Wildpflanzen sind an unsere klimatischen Bedingungen und unser Ökosystem angepasst. Sie bieten passende Nahrung, Lebensraum und Nistmöglichkeiten. In ihrer ökologischen Bedeutung sind sie Exoten und Zuchtformen daher meist haushoch überlegen. Heimische Wildpflanzen sind zudem fast immer widerstandsfähiger gegen Hitze, Trockenheit und Frost.
Erwartet nicht allzu viel von der Fachberatung im Gartenmarkt oder der Gärtnerei. Spätestens wenn Ihr nach einer einheimischen Wildform fragt und der Mitarbeiter Dir eine Zuchtform mit gefüllten Blüten (mehr dazu unten) andrehen möchte, sollten die Alarmglocken läuten.
Kompetente Beratung gibt es natürlich auch, unseren Erfahrungen nach aber leider eher selten.
Tipp: Kauft heimische Wildpflanzen immer mit dem vollständigen botanischen (lateinischen) Namen, das spart manche Überraschung.
Bild: © Helmut Schlaiß Fotografie, Langenau
Pflanzen mit gefüllten Blüten wurden gezüchtet, um dem Schönheitsideal einiger Menschen zu entsprechen. Sie sind Mutanten: Bei gefüllten Blüten sind die Pollen produzierenden Staubblätter nämlich durch Mutation in Schauorgane („Blütenblätter“) umgebildet, so dass sie prächtiger wirken. Die nektarbildenden Organe sind entweder zurückgebildet oder für bestäubende Insekten nicht mehr erreichbar. Wildbienen, Käfer und Fliegen gehen in der Regel leer aus.
Übrigens: Wenn der lateinischer Name den Zusatz fl. pl. (lat. flore pleno, „mit voller Blüte“) trägt, handelt es sich hier um eine gefüllte Form.
In unserem Lebensraum haben sich Lebewesen (Tiere aber auch Bakterien und Pilze), die von oder mit unseren heimischen Wildpflanzen leben, im Laufe von Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden an die Pflanze angepasst und umgekehrt. Man spricht hier auch von
Koevolution. Die Pflanzen profitieren von der Bestäubung. Insekten, Vögel und andere Lebewesen finden Lebensraum und Nahrung in Form von Pollen, Nektar, Früchten, Samen und Blättern. Pilze und Bakterien leben in Symbiose mit der Pflanze oder parasitär.
Bei exotischen Pflanzen fehlen hier die Lebensgemeinschaften. Während z.B. von unserer einheimischen Schlehe 211 Vogel- und Insektenarten profitieren, fressen am exotischen Kirschlorbeer hingegen gerade mal 2 oder 3 Vogelarten dessen Früchte. Der Kirschlorbeer hat in etwa den ökologischen Wert einer Betonmauer (auf dieser wachsen immerhin Flechten). Ähnliches gilt auch für Tuja, Forsythie, Flieder und Geranien. Allerdings sind nicht alle Exoten grundsätzlich unnütz. Im Zweifelsfall würden wir aber immer zu einheimischen Wildpflanzen raten.
Auch bei vielen Zuchtformen ist der biologische Wert der ursprünglichen Wildform radikal reduziert. Während von unserem Zweigriffligen Weißdorn rund 260 Vogel- und Insektenarten profitieren, sieht es beim Rotdorn (Zuchtform des Weißdorns) nicht so rosig aus. Der Rotdorn (z.B. "Paul's Scarlet") blüht zwar hübsch rosa, nur leider gefüllt (s.o.). Die meisten Insekten haben vom Rotdorn keinerlei Nutzen. Aber auch hier gilt: Nicht alle Züchtungen sind per se nutzlos.
Gute Entscheidungshilfen hierzu bieten z.B. die Pflanzlisten in "Natur für jeden Garten" von Reinhard Witt.
Hier wachsen auf mit Kalkschottter abgemagerten Boden nur einheimische Wildblumen und Wildkräuter. Es wimmelt von Insekten wie verschiedenen Hummelarten, Wildbienen, Schwebfliegen, Raubfliegen, Käfern, Wanzen und Schmetterlingen. Hier summt und brummt es! Auszug aus der Pflanzliste:
In der unten stehenden Tabelle finden Sie den ökologischen Wert (Anzahl profitierender Vögel, Tagfalter, Nachtfalter inkl. Spanner und Schwärmer) für einige heimischen Wildgehölze. Alle davon sind auch in unserem Garten beheimatet. Exoten und Zuchtformen haben hierzu meist nicht viel zu bieten, gleichzeitig verdrängen sie aber unsere heimischen Arten.
Heimisches Wildgehölz | Vogelarten | Tagfalterarten | Nachtfalterarten | Andere Insekten | Total |
---|---|---|---|---|---|
Salweide | 3 | 5 | 96 | 213 | 317 |
Weißdorn | 32 | 2 | 63 | 163 | 260 |
Schwarzdorn (Schlehe) | 20 | 4 | 50 | 137 | 211 |
Wildrosen | 27 | 23 | 103 | 157 | |
Hasel | 19 | 106 | 125 | ||
Brombeere | 3 | 31 | 85 | 119 | |
Faulbaum | 36 | 45 | 81 | ||
Schwarzer Holunder | 62 | 15 | 77 |
Quelle: öko-forum Umweltberatung Luzern
Wenn exotische Pflanzen sich bei uns so erfolgreich vermehren, dass sie dabei einheimische Arten verdrängen, dann spricht man von „invasiven Neophyten“.
Für den Naturgarten-Freund sind invasive Neophyten ein umstrittenes Thema. Eine Null-Toleranz kann hier für reichlich Frust sorgen: Die Robinie z.B. wurde vor etwa 400 Jahren aus Nordamerika eingeführt und gilt als invasiver Neophyt. Muss sie nun zwingend gefällt werden?
Wir haben uns dafür entschieden, unsere beiden bereits etwas größeren Robinien zu erhalten. Wir erkennen durchaus einen gewissen ökologischen Nutzen und sind überzeugt, eine weitere Verbreitung für unsere spezifische Standortsituation im Griff zu haben.
Allerdings haben wir alle Flieder (auch ein invasiver Neophyt, aus Südosteuropa und Vorderasien eingeführt) entfernt und durch Pimpernuss und Faulbaum ersetzt. Das tat uns übrigens richtig weh. Wie vermutlich jedem Gärtner, der eine Pflanze, die er einmal selbst gepflanzt hat, wieder herausreißen muss.
Mit Ausnahme von Neupflanzungen und Gemüsebeet muss unser Garten auch in den immer öfters auftretenden Hitze- und Trockenperioden nicht mehr gewässert werden.
Warum ist das so? Wir setzen auf trockentolerante, heimischer Wildarten (wie z.B. Natternkopf, Königskerze, Rosenmalve, Wilde Möhre, Weißdorn, Schlehe oder Vogelkirsche). Die sind äußerst robust und überstehen auch locker einen Rekordsommer.
Da wir zudem die Selbstaussaat zulassen, können sich die Wildkräuerbestände auch nach einem vollständigen Verlust wieder ohne unser Zutun neu entwickeln. Ist denn eine blühende Wildblumenwiese nicht viel ästhetischer als ein (vertrockneter) kurzgeschnittener Rasen?
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